Mario Draghi übergibt den Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit an die Europäische Kommission. Dunkle Wolken und fatale (südeuropäische) Fehleinschätzungen!
In ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union 2023 hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi beauftragt, einen Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit anzufertigen. Letzte Woche hat er diesen nun an die Europäische Kommission übergeben und diese Woche im Europäischen Parlament präsentiert.
800 Milliarden Euro (im Jahr!), das ist die Summe, die es laut Mario Draghi braucht, um die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen und vor allem wettbewerbsfähig zu halten. Um das gleich zu Beginn richtig einstufen zu können, das ist mehr als das Doppelte der Summe, die im Marshallplan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden und in etwa genau so viel, wie die Europäische Union zur Stärkung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie eingesetzt hat (750 Milliarden).
Der gesamte europäische Haushalt 2021-2027 sieht derzeit ein Volumen von 2 Billionen Euro vor!
Woher soll das zusätzliche Geld kommen?
Mario Draghi schlägt in seinem Bericht die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden vor. Ein bisher einmaliger und damals notwendiger Vorgang, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Italien und Frankreich jubeln über diesen Vorschlag und fordern bereits ein neues Schuldenpaket. Dabei berufen sie sich auf die gestiegenen Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz. Ich halte diese Einschätzung für fatal.
Was ich in meinen ersten fünf Jahren als Europaabgeordneter gelernt habe, ist, dass viel Geld immer nur hilft, die oberflächlichen Symptome von Problemen zu bekämpfen. Damit bekommt man schwierige Probleme schnell von der Bildfläche und ist nicht gefordert, die schwierigen, die tiefer liegenden Probleme anzugehen.
Wir müssen aufhören, uns etwas vorzumachen. Die Europäische Kommission, angetreten unter Ursula von der Leyen die Bürokratie zu bekämpfen, schafft immer mehr ein Bürokratiemonster. Anstatt weniger Vorschriften zu machen, wird im Berlaymont (Sitz der Kommission) produziert und produziert und produziert… Zwischen 2019 und 2024 hat die Europäische Union 13.000 Rechtsakte verabschiedet. Die USA produzierten in derselben Zeit 5.500 Rechtsakte und Resolutionen.
Anstatt Gesetzgebung zu vereinfachen wird immer mehr bis ins Kleinste reguliert.
Wenn wir nicht anfangen, das Problem am Sockel zu bekämpfen, brauchen wir nicht über neue gemeinschaftliche Schulden nachdenken, die die Löcher im Dach flicken.
Auf der Agenda muss stehen, den Binnenmarkt weiter zu vergemeinschaften und zu vertiefen, die Kapitalmarktunion auszubauen und Bürokratie so weit abzubauen, dass es für Unternehmen wieder reizbar wird, große Summen in Europa zu investieren. Erst wenn wir hier unsere Hausaufgaben gemacht und das Fundament gelegt haben, dürfen wir über so tiefgreifende Maßnahmen wie Gemeinschaftsverschuldung überhaupt nachdenken.
Ursula von der Leyen sagte bei der Vorstellung des Berichts selbst: „Wir müssen unsere Industrie darin unterstützen, durch Innovation die Dekarbonisierung voranzutreiben und daraus einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Darum müssen wir an allen wichtigen, uns zur Verfügung stehenden Hebeln ansetzen: Senkung der Energiepreise, Mobilisierung öffentlicher und privater Investitionen, Verbesserung des Unternehmensumfelds und Abbau unnötiger Bürokratie.“
In dieser Aussage unterstütze ich die Kommissionspräsidentin zu 100 Prozent. Ursula von der Leyen hat das Vertrauen von Rat und Parlament für weitere 5 Jahre erhalten. Jetzt erwarte ich konsequentes Handeln von ihr. Es ist nicht die Zeit der leeren Worte und es war nie eine gute Idee, sich von südeuropäischen Ideen allein treiben zu lassen und dabei den Blick auf das Wesentliche zu verlieren.
Noch habe ich die Hoffnung in eine Politik, die gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche europäische Wirtschaft setzt, nicht aufgegeben. Ich werde weiterhin für Sie daran arbeiten!